Wohlstand ohne Wachstum: Wohnen

In ihrem Artikel „Yes, We Can Prosper Without Growth“ stellen die Autor*innen der Forschungseinrichtung „Research and Degrowth“ einen Zehn-Punkte-Plan mit Postwachstumspolitiken für eine Wachstumswende in Katalonien vor. Einige dieser zehn Forderungen möchten wir in den kommenden Wochen diskutieren, insbesondere mit Blick auf ihre mögliche Bedeutung für den Bremer Kontext.

In einem der Punkte geht es um das Thema Wohnen. Die Autor*innen fordern die Optimierung von Gebäudenutzung und behandeln damit, besonders in vielen (Groß-)Städten, drängende Probleme: Mangel an bezahlbarem Wohnraum, gleichzeitig leerstehende Gebäude und Flächenfraß.

Doch was hat Wohnen und Wohnungspolitik überhaupt mit der Wachstumswende zu tun? Bezahlbarer Wohnraum bedeutet soziale Gerechtigkeit, doch die stetig durch Spekulation und Profitinteressen steigenden Mieten schaffen Ungerechtigkeit und verhindern Teilhabe.




Bild von unvisersaldilletant nach CC BY-NC-SA 2.0.

Was heißt diese Forderungen für den Bremer Kontext?

Das Thema Wohnen ist auch in Bremen aktuell: Die Mieten steigen, während viele Gebäude oder Flächen leer stehen, und die Konkurrenz um bezahlbaren Wohnraum wächst.

Das Land verkauft in großem Stil öffentliche Flächen an Investor*innen, die auf eine Wertsteigerung spekulieren, und fördert damit Leerstand und Brachflächen. Außerdem geht mit dem Verkauf auch der Einfluss darauf verloren, wie Gebäude genutzt werden. Um die Wohnungsnot zu bekämpfen, steigende Mietpreise zu stoppen und gleichzeitig Flächenfraß zu verhindern, muss der Immobilien-Spekulation ein Ende gesetzt werden. Eine Möglichkeit ist dabei, städtische Gebäude und Flächen vorrangig an genossenschaftliche Projekte und andere Initiativen mit sozialem Anspruch und ohne Profitinteressen zu vergeben. Außerdem kann die Stadt die Privatisierung stoppen und Flächen beispielsweise über ein Erbbaurecht vergeben, statt sie zu verkaufen.

Die Autor*innen von „Research and Degrowth“ fordern vor allem, bestehende Gebäude besser zu nutzen und Neubauten zu vermeiden. Neben einer gerechteren Verteilung des vorhandenen Wohnraums schützt die bessere Nutzung von Wohnraum auch erheblich das Klima. Der Wohn- und Bausektor trägt derzeit massiv zu den deutschen CO2-Emissionen bei. Um diese Zielezu erreichen, wäre es denkbar, in Bremen die Wohnfläche zu regulieren. Aktuell liegt in Deutschland die durchschnittliche Wohnfläche pro Person bei 46,5m² – Tendenz steigend. Eine progressive Wohnflächensteuer könnte eingeführt werden, um diese Zahl zu senken. Das heißt: Bis zu einer gewissen Grenze ist Wohnfläche steuerfrei oder wird nur niedrig besteuert, doch über dieser Grenze steigen die Steuern, und ab dann in immer größeren Sprüngen. Progressive Steuern sollen finanzielle Anreize für wohlhabendere Menschen setzen, die eigene Wohnfläche zu beschränken – oder eben hohe Steuern zu bezahlen, die wiederum für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums genutzt werden könnten. Gleichzeitig sollen Menschen mit niedrigen Einkommen entlastet werden, sodass die Besteuerung nicht die ohnehin auf dem Wohnungsmarkt Benachteiligten trifft. Doch bei einer solchen Wohnflächen-Steuer bleiben einige Fragen offen: Welche Wohnfläche ist pro Person angemessen und gerecht und würde dementsprechend steuerfrei sein? Und wie können Menschen dabei unterstützt werden, ihre Wohnfläche zu verringern? Hier wäre denkbar, dass die Stadt bei der Vermittlung von Wohngemeinschaften hilft und beispielsweise verwitwete Menschen bei der Suche und dem Umzug in kleinere Wohnungen unterstützt werden.

Ein Beitrag von Lene Montanus

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