Wohlstand ohne Wachstum – Werbung

In ihrem Artikel „Yes, We Can Prosper Without Growth“ stellen die Autor*innen der Forschungseinrichtung „Research and Degrowth“ einen Zehn-Punkte-Plan mit Postwachstumspolitiken für eine Wachstumswende in Katalonien vor. Einige dieser zehn Forderungen möchten wir in den kommenden Wochen diskutieren, insbesondere mit Blick auf ihre mögliche Bedeutung für den Bremer Kontext.

Auf Straßen und Plätzen der Städte, entlang der Autobahnen, an Bahnhöfen, Flughäfen sowie im Linien-, Nah- und Fernverkehr steht sie [die Außenwerbung, Anm. d. Red.] im permanenten Kontakt mit der Bevölkerung. Immer, überall, 24 Stunden an jedem Tag des Jahres, unausweichlich, unübersehbar.“ (Quelle: Fachverband Außenwerbung www.faw-ev.de)

Mit diesen Sätzen wirbt der deutsche Fachverband Außenwerbung. Was wohl als etwas Positives rüber kommen soll, liest sich eher gruselig: Werbung ist immer präsent, kein Mensch kann der andauernden Überflutung mit Werbebotschaften entgehen, denn nicht nur Zeitungen, Internetseiten und Fernsehen sind voll mit Werbung, auch der öffentliche Raum ist zugekleistert damit. Diese schränkt zu Gunsten privater Profitinteressen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein, denn: die Werbeflächen sind überall und nicht zu übersehen. Deswegen ist auch dieses Problem ein Thema, mit dem sich die Autor*innen des 10-Punkte-Plans beschäftigen: Sie fordern die Reduktion von Werbung.


Berlin werbefrei: Blick auf den Berliner Dom. © Berlin Werbefrei

Bei der Reduktion von Werbung hat Bremen viele Handlungsmöglichkeiten. Mit der Vermietung von Werbeflächen im öffentlichen Raum verdient Bremen zwar etwas Geld – schränkt aber gleichzeitig auch die Rechte aller in Bremen ein. Ohne Rücksicht auf soziale und ökologische Folgen legitimieren private Profitinteressen die manipulative Erzeugung von Bedürfnissen und es wird ein gesellschaftliches Klima der Vereinzelung und des Wettbewerbs geschaffen. Diese Ideologie des „immer mehr“ ist Ausdruck eines nur auf Wachstum und Profitinteressen ausgerichteten Wirtschaftens, das katastrophale soziale und ökologische Folgen verursacht.

Bremen sollte sich dazu entscheiden, auf diese Einnahmen zum Wohl aller zu verzichten und kommerzielle Werbung im öffentlichen Raum verbieten. In Berlin zeigt die Initiative „Berlin Werbefrei“ bereits, dass dies möglich ist: Sie hat weit mehr als die geforderten Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt und fordert, dass kommerzielle Werbung im öffentlichen Raum verboten wird – als erste Stadt in Deutschland. Auch andere Städte weltweit haben diesen Schritt gewagt und Werbung aus der Stadt verbannt, zum Beispiel Sao Paulo oder Grenoble.

Tokyo werbefrei Ikebukuro in Tokyo, Japan. © Nicolas Damiens

Bremen kann sich auch über die eigenen Landesgrenzen hinaus für eine bundesweite Reduktion und Kontrolle kommerzieller Werbung generell, aber insbesondere für ein Verbot von Werbung für Tabak und Alkohol und Werbung mit sexistischen oder rassistischen Inhalten, einsetzen. Der Bremer Senat muss sich der Macht von Lobbyist*innen entziehen und das Augenmerk auf die Bedürfnisse aller legen.

Ein Beitrag von Lene Montanus