Wohlstand ohne Wachstum – ein Zehn-Punkte-Plan

„Regierung senkt Wachstumsprognose“ – so titelte tagesschau.de vor einigen Tagen, in Begleitung eines düsteren Bildes. Nur wenige Tage zuvor hatte der Internationale Währungsfonds das erwartete Weltwirtschaftswachstum ebenfalls gesenkt und mahnte alle Staaten gleichzeitig, dem Ziel des Wirtschaftswachstums eine höhere Priorität einzuräumen. Diese beiden Nachrichten waren ohne Zweifel negativ konnotiert und trugen die Botschaft: Der Wohlstand ist in Gefahr, denn, wie Politik und Wirtschaft seit Jahrzehnten nicht müde werden zu betonen: Wirtschaftswachstum bedeutet Wohlstand, ein schwaches oder gar negatives Wachstum bedeutet den Verlust von Wohlstand.

Doch ein Blick auf die Realität macht diesen als alternativlos dargestellten direkten Zusammenhang von Wachstum und Wohlstand sehr unglaubwürdig. Trotz einer seit Jahrzehnten wachsenden Weltwirtschaft verschärfen sich soziale Ungerechtigkeiten. Schätzungen gehen davon aus, dass nur wenige Prozent der Weltbevölkerung von dem Wachstum profitieren, während der allergrößte Teil direkt und indirekt – zum Beispiel durch den Klimawandel, der von dieser Wirtschaftsweise maßgeblich verursacht wird – darunter leidet. Es ist offensichtlich, dass das Wachstumsziel weder sozial noch ökologisch nachhaltig ist und es durchaus Alternativen zu dem eingeschlagenen Weg gibt.





Bild von Robert Orzanna nach CC BY-SA 2.0

Eine dieser Alternativen ist „Degrowth“. Degrowth beruht auf der Annahme, dass Wohlstand ohne Wirtschaftswachstum möglich ist und gleichzeitig sozial und ökonomisch nachhaltig sein kann. Dabei bedeutet Degrowth aber nicht das gleiche wie Rezession, sondern vielmehr ein generelles Hinterfragen und Umdenken im Bezug darauf, was ein gutes Wirtschaften ausmacht. Im Zentrum steht dabei das Wohlergehen aller und die Erhaltung ökologischer Lebensgrundlagen anstelle der Konzentration auf eine – ohnehin ungeeignete – Maßzahl wie dem Bruttoinlandsprodukt, die diesen Zielen im Weg steht.

Um diese teils abstrakte Vision zu konkretisieren hat die akademisch-aktivistische Vereinigung „Research and Degrowth“ einen Zehn-Punkte-Plan mit konkreten politischen Schritten hin zu einer Postwachstumsgesellschaft entwickelt. Diese zehn Punkte wurden für den katalanischen Kontext entworfen und die Autor*innen machen deutlich, dass die Vorschläge als ein Gesamtkonzept zu verstehen sind, denn sie ergänzen einander und die Umsetzung nur einzelner Politiken führen nicht unbedingt zum gewünschten Effekt. Die Vorschläge, die „Research and Degrowth“ formuliert, sind aber dennoch spannend, auch aus Bremer Perspektive. Wir wollen uns in den nächsten Wochen fragen: Was könnten diese zehn Punkte für den Bremer Kontext heißen? Was steckt hinter den Vorschlägen, und welche erscheinen für unsere Stadt sinnvoll? Welches sind die Schwächen?

Wir möchten den 10-Punkte-Plan für Wohlstand ohne Wachstum in wöchentlichen Blogbeiträgen beleuchten, hinterfragen und ganz konkret auf Bremen anwenden. Wer den Plan schon einmal kennen lernen möchte, findet diesen hier, eine ins Deutsche übersetzte und gekürzte Version gibt es hier.

Ein Beitrag von Lene Montanus

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert